Sabines Blog
Adieu, Lehrbuch!
Die geopolitische Lage führt auch in unseren Breitengraden dazu, dass vielerorts nichts mehr «nach Lehrbuch» läuft und immer mehr gemäss «rollender Planung» gearbeitet wird. Was bedeutet das für die Kommunikation in Unternehmen und anderen Organisationen?
«Bei uns läuft aktuell nichts nach Lehrbuch», erklärte mir jüngst ein Kunde, dessen familiengeführtes KMU sich in einer äusserst anspruchsvollen Turnaround-Situation befindet. Doch wo läuft es denn heutzutage noch «nach Lehrbuch»? Die geopolitische Lage führt auch in unseren Breitengraden zu (möglichen) Szenarien, die noch vor wenigen Jahren, ja Monaten, undenkbar gewesen wären. Jahrespläne werden innert Tagen zu Makulatur, es wird immer mehr gemäss «rollender Planung» gearbeitet. Was bedeutet das für die Kommunikation in Unternehmen und anderen Organisationen?
- Krisenkommunikation ist «the new normal»: Wenn die ganze Gesellschaft und Wirtschaft im latenten und teilweise auch im akuten Krisenmodus sind, stellt sich nicht mehr – wie in der klassischen Krisenkommunikation – die Schuldfrage für das einzelne Unternehmen: Die Gas-Mangellage ist nicht durch Ihre Firma verschuldet, wie es etwa ein Produktfehler wäre. Es geht also in der Kommunikation weniger um eine Aufarbeitung der Schuldfrage und anschliessend einen Wiederaufbau der Reputation, sondern darum aufzuzeigen, wie Ihr Unternehmen bestmöglich mit der Situation umgeht und welche Auswirkungen die Situation auf Ihre Mitarbeitenden, Kunden und weitere Stakeholder hat. Und auch, wo Sie sich allenfalls zusätzlich engagieren, um die Problematik zu bewältigen, etwa in Ihrem Branchenverband oder mittels Einflussnahme auf politischer Ebene. Denn nie zuvor war Fachwissen aus den jeweiligen Sektoren gefragter in der Politik.
- Interne Kommunikation ist wichtiger denn je: Nichts löst in Teams grössere Verunsicherung aus, als wenn nicht klar ist, wohin die Reise geht mit einem Unternehmen. Was bedeuten anstehende Veränderungen für meinen Arbeitsplatz und für die Mitarbeitersituation generell in der Firma? Verändert sich mein Job-Profil? Erhöht sich die Belastung? Auch wenn es Phasen gibt, in denen Veränderungen erst hinter den Kulissen vorbereitet werden und operativ noch nicht sichtbar sind: Pflegen Sie den regelmässigen Dialog, geben Sie laufend kleine Updates, bleiben Sie sichtbar für das Team, das schafft ein Mindestmass an Vertrauen und erhält den Team Spirit.
- Mut zum Durchspielen aller Szenarien: In der Kommunikation – insbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit – gilt heutzutage: Tritt ein Ereignis ein, bleibt keine Zeit mehr zur Vorbereitung der Kommunikation. Informationen verbreiten sich innert Sekundenschnelle über Online-Kanäle von traditionellen Verlagshäusern und den Sozialen Medien. Dennoch erlebe ich es immer wieder, dass sich Kunden davor scheuen, sämtliche möglichen Szenarien, auch den jeweiligen Worst Case, im Voraus durchzuspielen und in ihrem Krisenmanagement und der Krisenkommunikation zu berücksichtigen respektive vorzubereiten. Ich höre dann jeweils «Nein, es ist ausgeschlossen, dass dieses Szenario eintritt!». Und dann passiert es eben doch … Daher mein Rat: Auch wenn es weh tut, auch wenn es Ängste auslöst: Spielen Sie alle möglichen Szenarien durch, auch in der Kommunikation.
- Die wichtigsten Regen in der Kommunikation gelten nach wie vor:
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Interne Information immer vor der externen. Nichts ist schlimmer für die Motivation, als wenn die Mitarbeitenden bad news über ihr Unternehmen zuerst aus den Medien erfahren.
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Was Sie kommunizieren, muss wahr sein – denn es kommt immer alles raus, in Zeiten von investigativem Journalismus sowieso. Allerdings können strategische, taktische oder oftmals auch rechtliche Gründe es erfordern, dass Sie gewisse Informationen eine Zeit lang zurückhalten müssen.
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Laufendes Monitoring der für Sie relevanten Themen – so bleiben Sie am Ball, was die Me-dien und Ihre Stakeholder bewegt und können frühzeitig agieren.
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Kommunikation sollte ein fixes Traktandum auf allen Meetings auf Führungsebene – insbesondere im Verwaltungsrat – sein. Das fördert auch die Sensibilisierung für kommunikationsrelevante Konstellationen und Ereignisse.
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Vorbereitung und à jour-Halten von Unterlagen: Statements, Q&A-Kataloge, Krisenpläne, Mediendatenbanken usw. gehören zum täglichen Kommunikations-Handwerk.
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Mit diesen Empfehlungen hoffe ich, dass Sie die anstehenden Herausforderungen in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Organisation zumindest auf der Ebene der Kommunikation bestmöglich bewältigen können. Ich wünsche Ihnen alles Gute dabei!